P. Erdkamp u.a. (Hrsg.): Capital, Investment, and Innovation in the Roman World

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Title
Capital, Investment, and Innovation in the Roman World.


Editor(s)
Erdkamp, Paul; Verboven, Koenraad; Zuiderhoek, Arjan
Published
Extent
512 S.
Price
€ 142,85
Reviewed for H-Soz-Kult by
Patrick Reinard, FB III – Papyrologie, Universität Trier

Der vorliegende Band bietet nach einer lesenswerten, von den drei Herausgebern verfassten Einleitung 14 Beiträge, die in drei Kapitel – I. Investment and Innovation; II. Capital and Investment in the Rural Economy; III. Human Capital, Financial Capital, and Credit Markets – aufgegliedert sind.

In der Einleitung (S. 1–36) wird das Thema abgesteckt, die bisherige Forschungsgeschichte skizziert und die Nützlichkeit eines durch die Institutionenökonomik geschärften Zugriffs betont. In der Tat darf man mit Blick auf die jüngere Forschungsgeschichte konstatieren, dass die insbesondere auf Douglas North zurückgehende NIÖ der Erforschung der antiken Wirtschaft wohltuende Impulse gegeben hat und gibt. Der vorliegende Band, auch wenn die Abstraktionsinstrumente der NIÖ in den Beiträgen unterschiedlich stark genutzt werden, setzt diese Entwicklung fort und zeigt nochmals den entsprechenden Mehrwert auf.

Paul Erdkamp (S. 39–65) untersucht den Zusammenhang und die gegenseitige Beeinflussung von Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum. Er verdeutlicht, dass es keinesfalls einen Widerspruch zwischen dem dank der reichen archäologischen Überlieferung zu konstatierenden Konsumanstieg und der vermeintlichen Regel der malthusianischen Theorie gibt, nach welcher ein demographisches Wachstum den Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens beeinträchtigte. Eher verursachte der „population growth […] an increase in divison of labour, specialization, and urbanization that allowed a larger part of the workforce to be absorbed in more productive non-agricultural sectors“ (S. 61).1 Voraussetzung hierfür sei ein gutes Funktionieren integrierter Märkte. Zu Recht betont Erdkamp, dass wirtschaftliches Wachstum sich nicht gleichmäßig entfaltet haben kann. Manche Regionen waren zu dezentral und nicht an entsprechende Entwicklungen angebunden.

In einem spannenden Aufsatz, in welchem neben archäologischen Befunden auch literarische Aussagen (Vitruv, Ausonius, Gregor von Nyssa u.a.) berücksichtigt werden, untersucht Andrew Wilson (S. 147–194) den Einsatz von Wasserkraft. Er zeigt die weite Verbreitung sowie die Vielfalt von bezeugten Einsatzmöglichkeiten; neben der Landwirtschaft z.B. auch die wasserbetriebenen Steinsägen. Wilson beschließt seinen Überblick über die nachweisbaren Zeugnisse mit einer anregenden Analyse: Die Anzahl der Anlagen zeige, dass die Kosten für Wassermühlen für viele Landbesitzer tragbar gewesen sein müssen. Durch die Adaption einer komparativ orientierten Modellrechnung von Vaclav Smil versucht Wilson sich dem denkbaren Anteil der Wasserkraft an der Gesamtenergiebilanz des römischen Staates anzunähern. Der methodischen Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten solcher Modelle ist er sich bewusst; hier sei lediglich zustimmend angemerkt, dass die erhobene Gesamtzahl von 50.000 (S. 180) zeitgleich aktiver Mühlen in der Kaiserzeit keinesfalls zu niedrig anmutet.

Nicolas Monteix (S. 195–221) behandelt in einem Überblick Faktoren wie die technische Entwicklung, Arbeitsflächen, die in einem Jahresrhythmus schwankende Verfügbarkeit von Ressourcen oder die Beschaffung anderer Materialien, die die Arbeit städtischer Handwerker bzw. Produzenten beeinflusst haben. Eindringlich weist er auf die Interpretationsschwierigkeiten der archäologischen Quellen sowie auf die methodischen Probleme der Bewertung qualitativer und quantitativer Veränderungen hin. Er zeigt zudem, dass neben ökonomischen Erwägungen auch der soziokulturelle Kontext für Veränderungen entscheidend sein kann.

Dieser wichtige Gedanke, der vor einer rein wirtschaftlichen Interpretation von Quellenbefunden warnt, wird in dem informativen Beitrag von Tamara Lewit (S. 307–353) aufgenommen. Ihre Untersuchung der Entwicklung von Pressen in der Wein- und Olivenölwirtschaft verdeutlicht, dass solche Anlagen je nach den naturräumlichen Gegebenheiten regional Unterschiede aufweisen konnten. Neben der Verfügbarkeit bestimmter Ressourcen konnten auch soziokulturelle Voraussetzungen entscheidend sein.

Während die großen Aquädukte von jeher fasziniert haben und die Wasserversorgung römischer Städte häufig Gegenstand der Forschung gewesen ist, wurde die Bewässerung von Landarealen sowie der notwendige Einsatz von Bewässerung in der Landwirtschaft weniger beachtet. Margeurite Ronin (S. 225–251) arbeitet anhand einer breiten Quellenauswertung unterschiedliche Formen der Gewährleistung bzw. Organisation von Bewässerungsmöglichkeiten heraus, betont den Einfluss von Standortfaktoren und unterscheidet umsichtig zwischen individuellen und kollektiven Formen, wobei Fragen nach der Differenzierung zwischen privaten und öffentlich-staatlichen Bereichen als interessanter Aspekt zu diskutieren sind.

Eine quellenkritische Untersuchung der Agrarschriftsteller hat Mick Stringer vorgelegt. Er geht der Frage nach, aus welchen Gründen Grundbesitzer Investitionsentscheidungen getroffen haben. Bemerkenswert ist neben vielen spannenden Aspekten, dass nur Columella zwischen laufenden Kosten und Investitionen systematisch zu unterscheiden scheint. Ferner urteilt Stringer: „that none of the writers distinguishes clearly between sales income, gross profit, and net profit, and therefore that it is unlikely that they ever produced structured, hierarchical, profit or loss calculations. The evidence is that income, costs, and profits were all thought of in cash-flow terms (…).“ (S. 270f.). Es wäre ferner zu fragen, inwieweit der literarische Charakter der ausgewerteten Quellen vielleicht für gewisse Unschärfe sorgen könnte und ob sich bei einer auf dokumentarische Zeugnisse gestützten Untersuchung gleiche Erkenntnisse ergeben. Sehr aufschlussreich ist die von Stringer herausgearbeitete Entwicklung in der Wahrnehmung bzw. Wertschätzung der „non-core products of the pastio villatica“ (S. 270), die von Cato bis Columella zu beobachten ist; während ersterer hieran kaum Interesse zeigte, gilt für Columella, dass er die pastio villa als eine „enterprise to be undertaken for its ability to generate attractive cash returns“ (S. 270) wahrnahm. Inwieweit Veränderungen in der Wahrnehmung der Agrarschriftsteller wirklich, wie Stringer meint, anhand von klimatischen Veränderungen erklärt werden können, bedarf weiterer Forschung.

Dem Wirtschaftssektor des Fischfangs und der Fischsalinenindustrie widmet sich Annalisa Marzano (S. 275–305). Sie betont die Bedeutung des Standortfaktors bzw. die naturräumlichen Voraussetzungen und geht auf den rechtlichen Rahmen sowie Vereinigungen ein, die für das Generieren sozioökonomischer Netzwerke oder die Waren- und Auftragsdistribution wichtig waren. Die Studie stützt sich auf epigraphische Quellen und wird durch einen nützlichen Anhang, der acht wichtige Inschriften aus Histria / Istros bietet (sog. Horothesia Dossier), abgerundet.2 Weiterführend darf man noch bedenken, dass Vereine auch hinsichtlich der Informationsgenerierung für einzelne Mitglieder wichtig gewesen sind (z.B. wäre beim Fischfang hierbei an Fangquoten, saisonale Schwankungen etc. zu denken).

Auf eine besondere Quellengruppe konzentriert sich Jean Andreau (S. 415–435). Er unterscheidet in seinem methodisch wie inhaltlich überzeugenden Aufsatz zwei unterschiedliche Kategorien, die in den „Campanian tablets“ erkannt werden können: das Geldverleihen samt dem Einziehen von Zinsen sowie ein „direct involement of the lender in production or in commercial activity“ (S. 418). Neben der Analyse der beiden Kategorien untersucht Andreau auch die Aktivitäten von liberti; ferner geht er final auf Geschäftsaktivitäten zwischen L. Caecilius Iucundus und der Stadt Pompeji ein.

Anhand einer guten Analyse einschlägiger papyrologischer Zeugnisse untersucht Merav Haklai (S. 437–459) den Kreditmarkt im kaiserzeitlichen Ägypten. Insbesondere rechtshistorische Perspektiven sind aufschlussreich, da verschiedene, parallel existierende Rechtssysteme sowie deren Ineinandergreifen aufgezeigt werden. Unter dem Einfluss der römischen Obrigkeit verändert sich die griechische Rechtsgrundlage für Kreditgeschäfte und „available legal formats were adjusted to accomodate for somewhat different activities, casting new content into existing formulae“ (S. 455); wie z.B. in den parathéke-Verträgen. Haklai betont, dass es sich bei solchen Entwicklungen gewiss nicht um bewusste Innovationen gehandelt hat. Dass regionale Besonderheiten soziokultureller bzw. sozioökonomischer Art für Veränderungen verantwortlich sein können, zeigt Haklai am Beispiel des rechtlichen Rahmens der Kreditgeschäfte. Abschließend wird diskutiert, inwieweit Zwischenformen auch in anderen Regionen vorstellbar sein könnten.

Der Beitrag von Cristiano Viglietti (S. 67–97) thematisiert institutionelle Veränderungen (z.B. die census-Einführung, das Aufkommen staatlicher Baupolitik etc.). Ferner erhellend ist die Unterscheidung zwischen staatlicher Bautätigkeit und dem Aufkommen privater Großgrundbesitze mit repräsentativen Bauten, die man spätestens ab der frühen Republik erkennen kann (u.a. die sog. Villa dell’ Auditorium). Der Spätantike widmet sich explizit der Aufsatz von Norman Underwood (S. 357–389). Er untersucht wie sich zwischen der Mitte des 4. und der Mitte des 5. Jahrhunderts n.Chr. eine bürokratisch-institutionelle Kirchenstruktur durch die Aufnahme von Menschen mit bestimmter beruflicher Qualifikation ausgestalten konnte.3

Insgesamt überzeugt der Band mit hervorragenden und informativen Beiträgen, die nicht alle einzeln angesprochen werden können. Die stets sehr breite Wahrnehmung verschiedener Quellengattungen ist sehr zu loben. Das Buch besticht zudem durch sehr gute Abbildungen sowie nützliche Graphiken, Tabellen und Anhänge. Gleichwohl deutlich wird, wie schwierig ob der divergierenden Quantität wie auch Qualität der Überlieferungslage allgemein gültige Aussagen zur Thematik sind, ist dieser Sammelband zweifellos als wichtiger Beitrag zur römischen Wirtschaftsgeschichte anzusehen. Die Kombination von Technik- und Wirtschaftsgeschichte bzw. Wirtschaftsarchäologie, die auf modernen Theorieansätzen aufbaut, ist ein sehr großer Gewinn.

Anmerkungen:
1 Dieser Aspekt ist vor dem Hintergrund der bei griechischen Berufsbezeichnungen über die Jahrhunderte erkennbaren Ausprägung bestimmter Spezialisierungstendenzen diskutierbar; vgl. K. Ruffing, Die berufliche Spezialisierung in Handel und Handwerk. Untersuchungen zu ihrer Entwicklung und zu ihren Bedingungen in der römischen Kaiserzeit im östlichen Mittelmeerraum auf der Grundlage griechischer Inschriften und Papyri, 2 Bde., Rahden 2008.
2 Vgl. J. H. Oliver, Text A and B of the Horothesia Dossier at Istros, in: GRBS (1965), S. 143–156.
3 Es wäre anregend, die von Underwood verfolgte Frage auch auf einem niedrigerem hierarchischen „Level“, etwa mit Blick auf peripher gelegene Klöster, zu verfolgen und dabei auch die „Laien“ zu betrachten, die für regionale kirchliche Institutionen gearbeitet haben; die Papyri des sog. Nepheros-Archivs aus dem 4. Jh. n.Chr. liefern hierzu bspw. interessante Einblicke; vgl. B. Kramer / J. C. Shelton / G. M. Browne, Das Archiv des Nepheros und verwandte Texte, Mainz 1987.

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